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Stephanie

Warum Kinder weinen


Neugeborene weinen rund zwei Stunden täglich, manche sogar mehr. Das ist ganz natürlich und einziges Ausdrucksmittel eines Säuglings. Eltern reagieren unterschiedlich auf das Weinen ihres Sprösslings. Die einen versuchen es mit auf dem Arm tragen, die anderen mit Stillen, die dritten mit einem Schnuller. Nach und nach lernen Eltern anhand der Art des Weinens zu unterscheiden, was das Baby ausdrücken möchte.

Das macht es etwas leichter. Das Weinen des eigenen Kindes auszuhalten gehört meines Erachtens jedoch generell zu den großen Herausforderungen des Elternseins. Zum einen folgen wir einem archaischen Impuls, indem wir unserem Kind zur Hilfe eilen. Zum anderen erinnert uns das Weinen an schmerzliche Erfahrungen unserer eigenen Kindheit.

Je weniger wir guten Gewissens weinen durften und uns dabei akzeptiert fühlten, umso weniger können wir unseren Kindern heute beim Weinen zuhören. Es ist, als ob unsere unterdrückten Gefühle der Kindheit in dem Moment wieder hoch kämen, wenn unser Baby oder Kleinkind weint.

Babys weinen einerseits, um sich mitzuteilen, wenn sie gestresst sind oder sich unwohl fühlen. Sobald der Auslöser dafür behoben ist, indem man es füttert, die Windel wechselt oder es in den Arm nimmt, hört das Weinen auf.

Darüber hinaus erfüllt das Weinen aber (lebenslang) einen weiteren, ganz essentiellen Zweck: Wir weinen, um Spannungen, Wut und Trauer abzubauen.

Und hier ringen wir Eltern oft um unsere Fassung: Denn wenn ein Baby abends eine Stunde durchgehend weint und nicht zu trösten ist, steigt der Pegel unserer Verzweiflung minütlich. Wir versuchen es mit Kirschkernkissen, mit Schaukeln, mit gut Zureden. Meist hilft das alles nichts und das Baby hört irgendwann von ganz allein auf.

Später weint unser Kind nicht mehr so regelmäßig. Es schafft sich dafür aber regelrechte Reibebäume, um endlich den Impuls (unser Schimpfen) zum Weinen zu bekommen. Möglicherweise schlägt es um sich, stößt uns weg, brüllt wie von Sinnen und scheint sich gar nicht mehr zu beruhigen. Die Spannung will auch körperlich abgebaut werden. Dazu braucht es Toben und um sich Schlagen.

Das wichtigste in dem Moment ist, dem Kind das Gefühl zu geben, aufgefangen und geliebt zu werden. Es wissen zu lassen, dass es weinen darf und wir für es da sind. Lenken wir es ab, lassen es allein oder schimpfen, verursachen wir damit einen inneren Konflikt, dem der kleine Mensch nicht gewachsen ist. Seine Gefühle können nicht positiv verarbeitet werden, es beginnt, das Erlebte abzuspalten und zu verdrängen.

Bis heute ist der Glaube weit verbreitet, dass Kinder uns mit ihrem Weinen "tyrannisieren". Oder dass man sie einfach am besten allein in ihrem Zimmer brüllen lässt. Beides halte ich für nicht zielführend und aus der Sicht des Kindes völlig unverständlich und schmerzlich.

Ein Säugling, den man allein weinen lässt, hat unter Umständen Todesangst. Er kann sich nicht selbständig aus der Situation bewegen und er fühlt sich von denen, die er liebt gerade dann allein gelassen, wenn er sie am meisten bräuchte. Einen Säugling mit Trost zu verwöhnen, können wir geTROST ins Nähkästchen der Ammenmärchen verbannen. Wir können maximal sein Urvertrauen stärken. Und das führt später zu einer stabilen Persönlichkeit, die nicht so schnell aus der Bahn geworfen wird.

Größere Kinder suchen sich sehr wohl Situationen, um unsere Glaubwürdigkeit auszutesten. Gerne auch dann, wenn es uns überhaupt nicht passt. Zum Beispiel im Supermarkt. Die Motive sind dennoch keineswegs verwerflich. Das Kind möchte selbst entscheiden können, es möchte Macht haben und es will sich nicht ständig unserem Willen unterwerfen müssen. Dass wir ihm darin nicht immer nachgeben können und wollen heißt nicht, dass es deshalb seine diesbezüglichen Gefühle zu unterdrücken hat. Es ist dann ganz einfach zornig, traurig und enttäuscht. Und dabei, mit diesen Gefühlen umgehen zu lernen, sollten wir ihm beistehen.

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