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  • Stephanie-Th. Schweiger-Rintelen

Authentische Menschen sein


Was macht uns zu authentischen Menschen? Ich meine, ganz wir selbst zu sein. Wenn wir uns ehrlich, klar, unverstellt zeigen so dass andere immer wissen, wen sie vor sich haben. Das ist es vielleicht auch, was man als angenehme und charismatische Ausstrahlung eines Menschen wahrnimmt. Und doch scheint schwierig, uns unsere Individualität, unser Anderssein zu bewahren, und damit authentisch zu bleiben.

Von klein an lernen wir, dass gewissen Verhaltensweisen von der Umwelt lieber gesehen werden, als andere. Der Erziehungs-Ratgeber Jesper Juul ist überzeugt: Kinder kooperieren immer. Direkt oder indirekt. Indem sie das gewünschte Verhalten zeigen oder das, was Erwachsene unterdrücken und das somit an die Oberfläche zu kommen hat, um wieder ein Gleichgewicht im System (Familie) zu ermöglichen. Je kleiner ein Kind ist, umso impulsiver handelt es. Durch die Reaktionen des Umfeldes lernt das Kind, gewisse Verhaltensweisen zu kultivieren und andere zu unterdrücken, wo sie in den sogenannten "Schatten" absinken und oft über Jahrzehnte darauf warten, re-integriert zu werden, damit wir wieder ganz wir selbst = authentisch werden.

Auch wird der kindliche Wille vielfach nicht respektiert. Kinder werden dazu genötigt, zu Menschen freundlich zu sein, die sie ablehnen (vielleicht weil der betreffende Mensch nicht authentisch wirkt) oder zu grüßen, obwohl ihnen gar nicht danach ist. Es ist ein schmaler Grat auf dem Eltern und Erzieher balancieren um einen Weg zwischen dem Vermitteln gesellschaftlicher Werte und dem Wahren der kindlichen Integrität zu finden. Integrität bedeutet Übereinstimmung der persönlichen Werte mit dem eigenen Denken und Handeln. In unserem Fall hier könnte es bedeuten, dass ein Erwachsener ein Kind weder durch Abwertung, Beurteilung, Zwang, noch sonstige invasive Maßnahmen dazu bringen sollte, seinen eigenen Impulsen (die ich freizügig an die Stelle der "Werte" in den ersten Lebensjahren setze) zuwider zu handeln. Und doch geschieht das ständig und ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich auf meine Tochter einrede, doch dies oder jenes zu tun, obwohl sie eine ganz klare Wahrnehmung von oder Meinung zu etwas hat.

Wir Erwachsenen dürfen aber auch Geduld mit uns haben. Ob Eltern oder nicht. Es ist ein langer Weg (zurück) zum authentischen Menschsein. Es gilt, hinter all den Masken, die wir im Alltag tragen unser wahres Gesicht (wieder) zu entdecken. Echte Verhaltensweisen von aufgesetzten zu unterscheiden.

Ein authentischer Mensch ist meines Erachtens einfach immer er selbst. Er stimmt weder die Modulation seiner Stimme auf sein Gegenüber ab, noch drückt er sich unterschiedlich aus. Er formuliert einfach, klar und verständlich und hat das Ziel, verstanden zu werden und nicht, sich durch eine besonders komplizierte Ausdrucksweise von anderen abzuheben. Er kann zuhören und kommunizieren gleichermaßen. Er steht zu sich und seiner Meinung, die er freundlich, aber bestimmt vertritt - wissend, dass sie für ihn gilt, nicht für die gesamte Menschheit. Er kennt seine Bedürfnisse und steht für sie ein. Er ist emphatisch, ohne in Mitleid zu kippen und kann Rücksicht nehmen, ohne das Gefühl zu haben, zu kurz zu kommen.

Viele von uns spielen verschiedenste Rollen, auf das jeweilige Gegenüber abgestimmt. Die Rollen können so unterschiedlich sein, dass man am reinen Zuhören, ohne die Beteiligten zu sehen, nicht immer erkennen würde, es mit ein- und demselben Menschen zu tun zu haben. Denn in der Rolle von Sohn oder Tochter verhält sich der Betreffende unter Umständen ganz anders, als gegenüber Mitarbeitern und Kollegen, wieder anders zu Hause als Partner oder Elternteil und nochmal anders gegenüber seinen Freunden. Diese Rollenspiele können ein guter Hinweis darauf sein, dass es noch etwas zu integrieren gibt, um wieder "rund" zu werden.

Erfüllen wird uns langfristig nur das, was wirklich zu uns gehört. Nicht, was wir uns anerzogen haben. Wirklich gut, weil einzigartig sind wir nur in den Dingen, die aus uns kommen, nicht in etwas das wir tun, weil wir denken, wir müssten es tun. Vielleicht kann man es so betrachten: Kaum ein Maler wäre je damit berühmt geworden, einen Blumenstrauß basierend auf einer repräsentativen Umfrage, wie die Mehrheit einen Blumenstrauß sieht, gemalt zu haben. Was seinen Blumenstrauß ausmacht ist sein einzigartiger Blick darauf. Seine Gabe, diesen Eindruck auf Leinwand zu bannen und davon wiederum werden sich einige Menschen angesprochen fühlen und andere nicht.

Je klarer unser Selbstbild wird, je mehr wir uns leben, umso leichter fällt es, Kindern, Partnern und Eltern deren Willen zu lassen. Empfundene Widerstände sind die besten Wegweiser auf unserem Weg zu uns selbst.


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