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Lasst den Kindern Zeit

Stephanie

Es ist ein wunderschöner Moment, zum ersten Mal das Strampeln eines Babies im Bauch zu fühlen, wenn sich die kleinen Sohlen von innen gegen den Bauch drücken.

Und es ist vor allem eins: ungalublich faszinierend! Zwei Menschen haben Sex und von ganz allein entwickelt die Natur aus ein paar Zellen nach einem fixen Bauplan einen vollständigen Menschen. Nach knapp zehn Monaten findet das Kleine im Normalfall von ganz alleine seinen Weg aus dem Mutterleib ins Leben. Wer kann und will, stillt und macht sich damit noch einige Monate nach der Geburt unabhängig.

Täglich werden Babies geboren. Täglich bestaunen Eltern ihr kleines Wunder. Warum nur verlieren viele von uns dann das Vertrauen in die Natur, in unsere Intuition und vor allem in das Vermögen unserer Kinder, sich ohne Anleitung zu entwickeln? Ein Kind verliert mit seiner Geburt nicht die Gabe, sich eigenständig zu entwickeln. Wir Erwachsenen glauben nur, dass wir alles besser, perfekter und schneller können. Doch darum geht es einem kleinen Menschen nicht. Sie wollen ihre Welt erforschen, sie spüren, riechen und schmecken. Das braucht Zeit. Viele von uns haben den kindlichen Forschergeist längst verloren. Unsere Tage bestehen zu einem großen Teil aus Routinehandlungen bei denen uns die Schönheit und Vielfalt des Lebens oft gar nicht mehr bewusst sind. Wieviele von uns sind denn wirklich glücklich? Wieviele von uns sind ganz im Hier und Jetzt?

Warum nur glauben wir dann, unsere Kinder ständig verbessern zu müssen? Ihnen erklären zu müssen, wie man einen Legoturm baut. Warum nehmen wir ihnen Dinge aus der Hand, die sie gerade bestaunen? Warum machen wir sie auf (teils imaginäre) Gefahren aufmerksam und vermitteln ihnen somit das Bild einer beängstigenden Welt? Ja, es gibt Beängstigendes auf der Welt. Aber ein gerüttelt Maß an Urvertrauen gibt uns die Sicherheit, damit zurecht zu kommen.

Wenn wir neben dem Klettergerüst stehen und unseren Kindern Mut machen, sagen: Ja, du kannst schon ganz allein klettern! Schau mal, da ist ein Loch, kannst du da drüber steigen oder möchtest du, dass ich dir helfe? Dann gewinnen sie Vertrauen in sich und ihr Vermögen, das Leben zu bewältigen. Oder besser: sie verlieren ihr Urvertrauen einfach gar nicht erst.

Wenn wir am Klettergerüst verkrampft ihre Hand halten und ständig mahnen: Pass auf, dass du nicht runter fällst, dann vermitteln wir ihnen einerseits, dass eine simple Sache wie ein Klettergerüst brandgefährlich ist, wie auf der Autobahn am MIttelstreifen spazieren zu gehen und andererseits, dass wir ihnen nicht zutrauen, sich selbst einzuschätzen, was sie schon können. Im schlimmsten Fall werden sie so unsicher, dass sie wirklich herunter fallen. Und was sagen wir dann? "Hab ichs dir nicht gesagt!" ...

Ich denke, wir könnten viel von unseren Kindern lernen, wenn wir uns öfter mal Zeit nehmen würden, sie nur in Ruhe zu beobachten, ohne uns einzubringen. Denn die meisten von ihnen haben noch einen kreativen Zugang zum Leben, den Willen und die Kraft, für alles eine Lösung zu finden, das nicht auf Anhieb klappt. Ich denke, wir tun gut daran, ihnen genau diese Gabe nicht abzutrainieren, wenn wir selbstverantwortliche Menschen großziehen wollen, die sich selbst und andere achten.


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