Es war einnmal ein Schlossherr. Dem ward ein wunderschönes Schloss, umgeben von einem blühenden Garten, einem Teich, weitläufigen Spazierwegen, kleinen Bänken zum Ausruhen und schattenspendenden Lauben geschenkt.
Nichts davon hatte er sich selbst erschaffen. Er bekam all das geschenkt. Seine Aufgabe war, das Anwesen zu hegen und zu pflegen, seine Schönheit zu mehren und andere daran teilhaben zu lassen. Auf dass sie sich an den Rosen im Garten, dem Vogelgezwitscher, dem Schlossteich und der Architektur erfreuten.
Nun kam es aber so, dass der Schlossherr das alles nicht zu schätzen wusste. Seinen Garten ließ er verwildern, das Schloss verfallen. Verirrte sich doch einmal ein Spaziergänger in den Garten und sprach Worte der Bewunderung für das Anwesen aus, so entgegnete der Schlossherr: Ach. Die windschiefe Hütte in der Wildnis hier? Das ist doch nichts...
Seltsam, dieser Schlossherr, nicht? Irgendwie auch undankbar. Und doch wohnt in vielen von uns solch ein kleiner Schlossherr.
Er begegnet uns zum Beispiel immer dort, wo falsche Bescheidenheit Worte des Dankes, der Anerkennung oder Freude abprallen lassen, wie einen Squashball. Wenn jemand "nicht der Rede wert" oder "aber das ist doch nichts" auf ein Dankeschön antwortet. Oder sich selbst heruntermacht, wenn er Anerkennung bekommt.
Wäre wahre Bescheidenheit nicht vielmehr, dankbar für das Leben in diesem Körper auf dieser Erde zu sein? Das Leben wurde uns geschenkt. Sollten wir nicht also umsichtig und demütig mit den Gaben, die uns in die Wiege gelegt wurden umgehen und ihren Wert richtig einschätzen, zum Wohle aller nutzen? Liegt nicht diesem Tiefstapeln wie auch dem Hochstapeln eine Fehleinschätzung der eigenen Qualitäten, Taten und Gesten zugrunde?
Ein bisschen wie unser Schlossherr setzen wir das uns geschenkte Leben sehr gern als selbstverständlich voraus. Unser Licht stellen wir unter den Scheffel und was wir können überschätzen oder unterschätzen wir leichthin.
Ich wünsche mir, dass uns gelingt, in Zukunft Anerkennung anderer mit einem schlichten "danke" zu quittieren. Den Dank anderer mit einem "gern geschehen". Und die Freude über etwas, an dem wir beteiligt sind, zu teilen. Das ist dann wahre Bescheidenheit.
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