Da war dieser Klient eines Bekannten, der mit über sechzig Jahren davon überzeugt war, dass sein längst verstorbener Vater an seiner Bindungsunfähigkeit schuld sei. Warum? Weil besagter Vater die Familie verließ, als der Klient fünf Jahre alt war. Mein Bekannter fragte ihn, ob er schon einmal darüber nachgedacht habe, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, hätte der Vater die Mutter nicht verlassen. Mit all den dazugehörigen eventuellen Konflikten und Streits. Der Klient ging nach Hause und dachte nach. Schließlich konnte er sich auf die Beziehung zu einer Frau einlassen und auch seine latenten gesundheitlichen Probleme verschwanden. Er hatte eine Erkenntnis gewonnen: Dass das Leben uns zu den Menschen macht, die wir sind. Und dass eine einseitige Beleuchtung der Ereignisse uns oft nicht weiterbringt. Vor knapp sechzig Jahren konnte der damals kleine Bub nicht selbst bestimmen. Aber heute kann er es. Und heute hat er die Verantwortung über sein Dasein. Hätte der Vater die Familie nicht verlassen, wäre unser Klient heute ein anderer Mensch. Er hätte andere Qualitäten entwickelt, wäre vielleicht beruflich nicht so erfolgreich geworden, wie er es tatsächlich ist und hätte vieles nicht erlebt, das ihm sein Leben so beschert hat.
Wir neigen oft dazu, Schuldige zu suchen für Dinge, die in unserem Leben nicht so laufen, wie wir sie uns vorstellen. Dazu kommt oft ein Glorifizieren der Vergangenheit. Wir ergehen uns in "was wäre, wenn..." Überlegungen, anstatt zu sehen, was da ist. Was das Leben uns beschert hat. Und anzuerkennen, dass es oft die Herausforderungen unseres Lebens waren, die uns zu den Charakteren gemacht haben, die wir heute sind. Mit all unserer Lebenserfahrung.